Wahl zum Kochparlament auf dem erleben & lernen-Kongress 2018
Heute soll es hier im Blog über eine Großgruppenaktion gehen, die wir Ende September anlässlich des erleben & lernen-Kongresses in Augsburg durchgeführt haben.
Der Kongress stand in diesem Jahr unter dem Motto „Einmischen possible – Die gesellschaftspolitische Dimension der Erlebnispädagogik.“
Nachdem wir von dem Motto erfahren hatten, kam uns der Gedanke das „Einmischen“ buchstäblich „possible“ zu machen, indem wir eine Aktion rund um das Thema Kochen anbieten wollten.
(Ernährung bzw. Verpflegung sind aus unserer Sicht ein ohnehin sehr wichtiges Thema für die erlebnispädagogische Arbeit mit einem immensen pädagogischen Potential. Dieses Thema für sich genommen bietet sich in jedem Fall für einen eigenen Blog-Eintrag an…)
Das Kochen auf dem e&l-Kongress sollte aber nicht nur ein bloßes Einmischen von Zutaten in einen großen Topf bedeuten. Wir entwickelten im Vorfeld des Kongresses ein Konzept, durch das wir alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses zu Wählerinnen und Wählern eines von uns so genannten „Kochparlamentes“ machten. Wir erstellten eine Wahlinformation, die eine Einführung zur Wahl und zur gegenwärtigen Gemengelage in Küchendeutschland enthielt. Die dabei als Gemengelage angegebenen Zutaten ergaben eine noch ungewürzte Kartoffelsuppe.
Um diese Suppe nach dem gewählten Geschmack des Kongresses würzen zu können, wurde die Wahl zum Kochparlament durchgeführt. Der Wahlzettel bzw. die Stimmvergabe war sehr eng an das System der Wahl zum Deutschen Bundestag angelehnt: Jede Wählerin und jeder Wähler hatte zwei Stimmen. Die Zweitstimme war entscheidend um die aromatische Note des fertigen Gerichts zu bestimmen. Standen hier doch Gewürze und Kräuter wie Schwarzer Pfeffer, Rosmarin oder Chili zur Wahl, die repräsentativ für ihre Wählerinnen und Wähler in das Kochparlament (d. h. in den großen „Bundestopf“ von „Küchendeutschland“) einzogen. Dabei galt die 5 %-Hürde. Nur Gewürze und Kräuter, die mindestens 5 % der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten wurden im Parlament entsprechend ihrer gewählten Stärke berücksichtigt.
Mit der Erststimme wurde eine weitere Zutat für das Kochparlament gewählt, die mit einfacher Mehrheit direkt in das Parlament einziehen konnte. Hier stellten sich beispielsweise H. Spitzkohl („Für eine Küche aus der wir gut und gerne essen.“) oder J. Petersilienwurzel („Unser Kochziel: Endlich essen!“) zur Wahl.
Um die Aktion als solche noch ein wenig zu würzen, wurden den Kräutern und Gewürzen auf dem Wahlzettel noch einige politische Haltungen oder Eigenarten angedichtet, die – zur individuellen Interpretation freigegeben – vielleicht für die eine oder den anderen Parallelen zu politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland erkennen ließen.
Da aus organisatorischen Gründen die beiden Wahllokale auf dem Kongress nur für eine Stunde geöffnet waren, konnten wir zuletzt mit einer Wahlbeteiligung von fast 50 % sehr zufrieden sein.
Im weiteren Verlauf des Tages wurde der Wählerwillen im Rahmen eines Workshops ausgerechnet und kochlöffelschwingend umgesetzt. Zum Abendessen gab es schließlich für alle Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer eine kleine Probierportion des Ergebnisses, sodass das Wahlergebnis zum Geschmackserlebnis für alle Beteiligten werden konnte. Dabei hatten alle angetretenen Gewürze und Kräuter den Einzug ins Parlament geschafft. Geschmacklich gab es eine Kartoffelsuppe mit Petersilienwurzel, die eine sehr dominante Rosmarinwürze aufwies, die aber auch eine unverkennbare Chilischärfe entfaltete.
Wir möchten uns an dieser Stelle sehr herzlich beim Mainzer Wahlamt für den Verleih der Wahlurnen und Wahlkabinen bedanken, wodurch die Wahl einen sehr authentischen Rahmen erhielt.
Abschließend noch ein paar Worte zum pädagogischen Potential, das wir in dieser Aktion sehen:
Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Disziplin. Daher eignet sich die „Wahl zum Kochparlament“ als erlebnispädagogische Aktion im Rahmen politischer Bildung. Ernährung ist ein Thema, das alle Menschen angeht. So ließe sich diese Methode beispielsweise auch sehr gut im Bereich von Kinder- oder Jugendgruppen einsetzen, die noch nie an einer Wahl teilgenommen haben. Kochzutaten bzw. Gewürze kennen auch sehr junge Menschen bereits aus ihrem Alltag und können sich bei einer solchen Wahl eine Vorstellung von dem machen, was sie da eigentlich wählen.
Die (politischen) Zuschreibungen, die wir den Gewürzen auf dem Kongress gegeben haben lassen sich bei einer Wahl für Kindergruppen auch einfach weglassen.
Besonders spannend ist die Möglichkeit das Wahlergebnis bzw. die Parlamentszusammensetzung noch am Tag der Wahl schmecken und damit selbst erleben zu können. Diese spielerische Herangehensweise, die aber den tatsächlich existierenden Regeln einer Parlamentswahl in der BRD genügt, kann hervorragend als Ausgangspunkt für weitere Schritte in der Demokratieerziehung dienen. So können Analogien zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen ausgehend von verschiedenen Gewürzaromen gezogen werden. Es kann darüber gesprochen werden, dass bei demokratischen Entscheidungen niemals allen alles schmeckt und wie schwierig es ist unterschiedliche Positionen/ Geschmacksrichtungen so weit zu harmonisieren, dass am Ende etwas Gutes dabei herauskommt. Es gibt wohl noch viel mehr Möglichkeiten der Weiterarbeit. Zu viele, um sie hier alle zu beschreiben. Vielleicht haben ja unsere Leserinnen und Leser noch Ideen. Diese dürfen uns auch gerne mitgeteilt werden J.